"Building better Worlds..."
Auf LB-426 regnet und stürmt es. Gibt es überhaupt einen Tag? Gibt es überhaupt ein Leben? Die knapp hundert Kolonisten, die der große Weyland-Yutani-Konzern auf den unwirtlichen Planeten geschickt hat, von dem einst in Alien (1979) die unfassbare Bedrohung ausging, leben auf einem Pulverfaß, ohne es zu wissen. Sie wollen kolonisieren, einen neuen bewohnbaren Planeten schaffen - dazu dient auch ein riesiger Kernreaktor, der Atmosphärenumwandler. In seiner Nähe ist es feucht, Kühlungssysteme schaffen eine tropische Aura. Bestimmte Lebensformen gedeihen in diesem Umfeld gut, nur allzu gut...
James Camerons Sequel Aliens beginnt mit einer unbestimmbaren, leichten Musik, die fast unbemerkt Unruhe auslöst. Die Farben wirken verwischt und wäßrig, so als habe der Nebel, der in der Alien-Brutkammer wabert, unsere Sinne umfasst. Lt. Ellen Ripley wird von ihrem Konzern, dessen Raumfrachter Nostromo sie einst zerstörte, um das Alien zu besiegen, fristlos gefeuert. Scheinbar glaubt ihr niemand. Doch im Hintergrund ziehen sich bereits sowohl die Schleimfäden der Aliens, als auch die des undurchsichtigen Konzerns zusammen.
Cameron erreichte nicht die klaustrophobisch-freudianische Dichte seines Vorgängers Ridley Scott, sondern schuf neben neuen Alien-Typen - Drohnen, Krieger und Königin - einen beklemmend-heroischen Actionfilm.
Ein wenig amerikanisch-kerniger Militärpatriotismus mischt sich mit der Angst, einem allmächtigen Konzern ausgeliefert zu sein, der ein ums andere Mal Menschenleben bereitwillig aufs Spiel setzt, um seine Ziele zu verfolgen.
Der Kampf Mensch gegen Monster weitet sich, betrachtet man die mittlerweile vier Alien-Teile zusammen, mit immer wieder wechselnden Schwerpunkten zu einem Kampf Individuum-Großmacht aus, sei es ein Konzern, wie in den ersten drei Teilen oder die Vereinigten Nationen wie im neuesten Sequel Alien - The Resurrection.
Stürzten sich die meisten Interpreten bei Scotts Meisterwerk "Alien" (1979) noch auf die psychologische Interpretation mit freudianischem Einschlag (Gebärangst, asexuelle Crew wird von einem "Riesenpenis" bedroht), so sah man in Camerons "Aliens" (1986) den Kampf zweier Mütter um ein Kind - Ripley und die Königin kämpfen um das Mädchen Newt. David Finchers "Alien - die Rückkehr" (1992) spielte mit warmen Erdtönen und einer depressiven Gefängnisatmosphäre mit gläubigen Schwerverbrechern, mit Erlösungs- und Opfersymbolik und zuletzt war Ripleys melodramatischer Opfertod in Christuspose mit ausgebreiteten Armen die absolute Krönung des Films.
Und das Ende der Alien-Sequels.
Dachte man.
Sigourney Weaver hatte genug von schweißnassen Frauen mit dicken Wummen in Armeeklamotten, so hörte man. Die Fan-Gemeinde betete und hoffte; und brachte in der Zwischenzeit eine Fülle an Spezialmaterial heraus, von genauen Lageplänen der Nostromo bis zur Gefängnisstation Fiorina bis hin zu den verschiedenen Entwicklungsstadien der Alien-Species, die sich, je nach Wirt und Funktion des Aliens in seiner "Familie", herausformen.
Dann dies.
Diese subtile Zeichnung zweier Lebewesen, durch jahrhundertelange Haßliebe aneinander gekettet, war eine Frage der Zeit.
Eine bittere Konsequenz.
Die Aliens sind besiegbar. Das wissen wir nun.
Um so mehr kann man als Rezipient - und in Ripleys Position - die Raffinesse, die Eleganz, die Faszination dieser Wesen genießen. Schleim ist nicht eklig, sondern nur noch eine Fährte. Den Fang eines Menschen durch ein Alien quittiert Ripley mit bloßem Staunen - bewundert sie die Wendigkeit der Wesen oder ist sie erstaunt über ihre eigene Unbeteiligung?
Der neuen Gebärzyklus der Alien-Queen (sie gebiert wie ein Mensch lebendige, voll entwickelte Aliens) stößt Ripley nicht so ab, wie ihre eigene Tochter: ein weißes, unförmig-menschliches Alien mit großen Brüsten und einem Totenkopfschädel, aus dem große schwarze Augen blicken.
Ihre Tochter...
Sie hatte schon zwei Töchter verloren: ihre eigene in Aliens; 57 Jahre Hyperschlaf waren Jahrzehnte zuviel...Und die kleine Newt, die sie aus der Bruthöhle Hadley's Hope noch retten konnte, ertrinkt bei der Bruchlandung ihres EEV in Alien 3. Und nun DIES.
Begonnen hatte die Arie aus Kabeln, Schleim und Penisköpfen mit dem Science-Fiction-Freak O'Bannon, auf dessen Idee das Drehbuch zu Alien basierte. Er klaute Versatzstücke bei den bekanntesten Sci-Fi-Plots und Figuren - aber er klaute gut!
Zusammen mit dem bis heute unübertroffen beklemmend-anziehenden Alien-Design von H. R. Giger, dessen Faible für Schlünde, Vaginen und Biomechanoiden einen Stab geifernder Psychologen bis heute mit der Deutung des ersten Alien Films beschäftigt, erschuf Ridley Scott einen der besten Science-Fiction-Filme, die es je gab.
Die Dunkelheit und Leere der Gänge der Nostromo, die Klaustrophobie, die in Ambivalenz zu den Weiten der Nostromo und des Alls entstand, wurden in keinem der Nachfolger ähnlich ergreifend visualisiert.
Eine schleimige Weltraumspinne befruchtet Menschen mit einem Embryo, der einem erigierten Penis gleich, die Bauchdecke seines Wirts sprengt und rasend schnell zu einem Chrom-Drachen heranwächst. Dieser penetriert mit Vorliebe andere Lebewesen mit seinem "Mund-im-Mund", wiederum einem Penis nicht unähnlich.
Sabbernd und geifernd will es nur eins: befruchten. Andere, mehr Aliens erzeugen. Ja, sprechen wir es aus: es will Ficken. Undzwar schnell, heftig und mit viel Flüssigkeit.
Dennoch ist es Ridley Scotts Film nicht angemessen, ihn nur auf der tiefenpsychologischen Ebene deuten zu wollen (das fremde Raumschiff die "Vagina"; die eindringenden Raumfahrer die "Samen").
Alien spielt mit vielen Urängsten: Dunkelheit. Alleinsein. Plötzlich nur auf sich gestellt sein. Die Konfrontation mit dem Fremden an sich. Und dem Fremden in sich.
Die Interpretationsmöglichkeiten sind zurückgetreten - bis auf die grandiosen Schlußszene, in der sich Ripley und die Alien-Queen ein furioses Finale liefern.
Mutter gegen Mutter.
Mensch gegen Monster.
Berechnende Intelligenz (Ripley) gegen kalten Überlebenstrieb.
Gerade mit der Drachen- und Spinnenhaften Alien-Queen nimmt Aliens jedoch auf eine besondere Monster-Ideologie Bezug, die so deutlich in keinem Sequel hervortritt:
"Dieser Drachen ist das Urtier am Beginn allen Lebens,
Ahnherr auch des Menschen, der sich mit dem Evolutionsbruch
von den Tieren verabschiedet hat."
(Hans R. Brittnacher, "Ästhetik des Horrors", Suhrkamp 1994)
Dieser Bruch in der Evolution machte das Verhältnis Mensch-Tier prekär. Das Alien steht u.a. also auch für unsere verdrängte tierisch-schleimige Vergangenheit. Unsere URsprünge.
Der Drache ist sowohl Schoß allen Lebens, aber zugleich auch dessen Tod.
Diese Ambivalenz verkörpert die Alien-Königin. Sie gebiert, und gerade dadurch tötet sie alles Andersartige. Das Alien ist das chimärische Monster par excellance. Postmoderner Kabelsalat. Nach Außen gepresste Rippenknochen - ganz Äußerlichkeit und doch verweist es auf das Unbewußte. Verweist es auf Unbestimmbares, denn selbst ist es zusammengesetzt aus den Alpträumen der Menschen. |
Index mit H. R. Giger-Bildern
A l i e n Resurrection
The Alien Legacy
Das Science-Fiction-Lexikon
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