Dieser Traum darf niemals sterben

Der Grand Prix D`Eurovision de la Schangsong



So betitelte das dritte Programm die Vorbereitungssendung auf das Ereignis des Jahres, den Gipfel der grottenschlechten Unterhaltung, den jährlichen Grand Prix Eurovision de la Chanson. Liebhaber des schlechten Geschmacks bereiten sich natürlich dementsprechend vor, stellen ein buntes Plastiklämpchen in Hirschdekor und eine Alpenprimel auf den Fernseher und harren der Dinge, die da kommen sollen...
Und sie kamen. Das Jubelereignis fand zum 40. Mal im Gastgeberland Norwegen statt, was gleich durch eine zünftige Folkloreeinspielung dokumentiert wurde. Gleichzeitig begann Ulf Ansorge von NDR2 mit der deutschen Moderation, die ihm sicherlich mittlerweile tonnenweise Drohbriefe eingebracht hat. Ansonsten ist dieser Artikel als ein öffentlicher Aufruf zum Mord zu verstehen - wir lieben Dich Ulf!
Das norwegische Moderatorenteam wurde von Morten Harket, dem Ex-Frontmann von Aha, und Ingvild Brynn gestellt (wer ist das?) Morten durfte dann, natürlich außer Konkurrenz, ein Liedchen trällern, vielleicht hätten sie dafür lieber ein Lied mehr in die Endwertung nehmen sollen? Denn wer es noch nicht weiß: 30 Länder haben sich beworben, aber nur 23 durften an dem entscheidenden Abend teilnehmen, das verwöhnte Publikum wäre sonst von der Vielzahl der Darbietungen überfordert gewesen und um Mitternacht fällt der Satellit aus... oder so.
Die European Broadcasting Union hat jedenfalls sieben Länder schon vorher "aussortiert", darunter auch die deutsche Darbietung: "Leon" mit dem Titel "Blauer Planet". Uns Ulf fand das jedenfalls ganz, ganz schrecklich, wie oft er an diesem Abend "Unser Leon" gesagt hat war unzählbar. Meiner Meinung nach hat uns die European Broadcasting Union einen Gefallen geta und eine Blamage erspart.
"Blauer Planet" ist ein hirnloser NDW-Abklatsch, etwa 13 Jahre zu spät dran und auch noch mit einer Umweltbotschaft versehen, nein danke. Andere bezeichnen ihn als Technoschlager, welch originelle neue Rubrik, die uns Schmerzen bereitet. Nein, Leon saß hoffentlich zu Hause vorm Fernseher und hat bitterlich geweint.

Aber nun zu den eigentlichen Darbietungen. Wer den Überblick haben will, werfe ein Auge auf die Playlist und erfreue sich an den hübschen fremdländischen Titeln und Sprachen.

Die norwegischen Kameramenschen und Trickexperten haben sich jedenfalls redlich bemüht, uns diesen akustischen Hochgenuß auch optisch naher zu bringen. Schwankende, gespiegelte Montagen, Schwarz-Weiß-Sequenzen mit einzelnen Einfärbungen (natürlich die Lippen einer Frau, was sonst) und verzögerte Übereinanderblendungen mit Verwisch-Effekt verwirrten den Zuschauer, und Else daheim hat sich sicherlich mehr als einmal gefragt, ob ihr Fernseher wohl den Geist aufgibt.

Die Schlager und Sternchen reihten sich mit den üblichen kleinen Grauslichkeiten und Schmachthymnen aneinander, die Sängerinnen fochten einen subtilen modischen Kampf, in dem sie sich zur Liga der ultrakurzen Minis oder der bodenlangen Röcke bekannten, grundsätzlich galt: kurzer Rock hampelt herum, langer Rock steht still. Es gab lediglich zwei Enthaltungen in Form von Hosenträgerinnen, aber Maxine vom niederländischen Duo verzeihen wir das gerne, trug sie doch einen klassischen knallroten Schlaghosenanzug und erfreute uns mit ihrem Partner mit einem "sehr flottem" (danke, Ulf) Lied im Stil der 70er.
Weniger erfreut hat uns die Tanzdarbietung von Gina G. und ihren zwei namenlosen Begleiterinnen, auch wenn Ulf die Damen "ganz reizend" fand. Die Choreographie diente sicherlich nur dazu, uns über die Farbe der Unterwäsche nicht im unklaren zu lassen, Gina war sicherlich die Hauptverfechterin der ultrakurzen Garde - aber gehören Slips ins Abendprogramm?

Die strahlende Siegerin des Abends war Eimear Quinn für Irland, mit der Irish-Folk-Ballade "The Voice", ein Lied, welches im vorigen Jahr schon einmal an der irischen Vorausscheidung teilgenommen hatte und nicht genommen worden war. Unvorstellbar, denn auch Nicht-Liebhaber von Irish-Folk müssen diesem Lied eine unwahrscheinliche Eindringlichkeit und Wirkung bestätigen, hier traf man unversehens auf eine qualitative Darbietung, die der Grand Prix sonst nicht bietet. Der Sieg war auch dementsprechend eindeutig mit 162 Punkten, als nächstes folgten die Schweden mit 100 Punkten. Ach ja, Eimear trug einen langen Rock.

cks