the jeyenne
schamane auf der 303



Schwingende Synthiziser über blauem Licht. Ein warmer Ambient-Einstieg, bis dieser Mann in schwarzer Lederhose auf die Bühne stürmt und seine E-Gitarre traktiert. Das ändert alles. Sein Gesicht, in dem die schwarz umrandeten Augen leuchten, starrt in die Menge und er beginnt zu schreien. The Jeyenne live auf der Mayday, das war Rock gemischt mit Electronic Body Music, Heavy Metal auf der 303 und beschwörender Gesang wie ihn Jim Morrison am besten auf Koks ausspuckte.




Seit 1992 produziert The Jeyenne kleine Untergrund-Techno-Hits ("XPQ-21" und "Time Warp"), nun kommt seine neue Single "Darkness" (eastwest Records) auf den Markt. "Darkness" ist, live vorgetragen, brachiale Urgewalt gepaart mit theatralischer Beschwörung, in die Audienz gespieene Worte und choraler Gesang, eine Fusion aus Heavy Metal, New Wave, Punk und Elektro.
Hämmernde Beats untermalen eine Geräuschkulisse, die kein Stahlwerk besser hervorbringen könnte. Dazu blubbern im Hintergrund Anne-Clarke- und Depeche-Mode-Anleihen. Im Zuge der lange fälligen Vermischung von Techno und Rock gehört The Jeyenne mit Sicherheit zu den innovativsten Vorreitern des "Freestyle-Movement".
Was hast Du davon erwartet, auf der Mayday zu spielen?
"Das ist das erste Mal, daß ich auf der Mayday spiele. Ich wollte die Leute konvertieren (?), eine andere Musikrichtung spielen, etwas schräger, interessanter vielleicht."
Hattest Du eher die Hoffnung, daß die Leute ein bißchen entsetzt sind oder erstaunt oder findest Du es gut, wenn das Publikum gleich mitgeht?
"Zu 50% weiß ich, daß es nicht mitgeht und zu 50% weiß ich, daß sie mitgehen. Also, ich bin da nicht schockiert, wenn das Publikum nicht mitgeht, man kann das nicht von denen erwarten, daß sie diese neue Musikrichtung sofort verstehen. Ich erwarte nichts...".
Das Publikum saugt die Show begierig in sich auf. Jeyenne’s Partnerin Nicque, die ihn mit wechselnden Partnern live unterstützt, thront wie eine schwarze Diva hinter den Samplern. Ihre dünnen weißen Arme peitschen den Beat mit, während Jeyenne Wasser ins Publikum speit.
Ist es Dir besonders wichtig, Live aufzutreten?
"Also, ich mag beides. Ich liebe es, im Studio zu arbeiten und zu basteln und ich brauche auch diese Life-Auftritte. Ich bin ein bißchen schizophren vielleicht..."

The Jeyenne stammt aus einer tiefreligiösen Region in Süditalien und wuchs im Haus eines Priesters auf. Die choralen Gesänge prägten ihn genauso wie der später in Deutschland erlebte "Kulturschock" durch Punk und Heavy Metal.
Mit was für Stilen bist Du aufgewachsen?
"Klassik, Heavy Metal, Punk, Wave, EBM, Elektro. Und EBM und Elektro haben mich sehr überzeugt und fasziniert. Und so mache ich das jetzt weiter und versuche das zu verbessern und etwas anderes daraus zu machen und das auch mit den anderen Stilen zu mischen. Wenn ich eine Tröte habe, dann schmeiße ich sie in den Sampler rein, und wenn sie gut klingt, klingt sie gut und wenn nicht, dann schmeiße ich sie weg!"
Wie würdest Du denn Deine Musikrichtung beschreiben? Man hört ja unweigerlich Anklänge an New Wave, EBM, aber auch an Rockmusik heraus...
"Ich hatte nur 20 Minuten Live-Set auf der Mayday, ich habe versucht, alles reinzuknallen, was ich an Material hatte. Und ich habe die E-Gitarre und die 303 ein bißchen reingespielt. Ich hab’ versucht, alles zu machen...Es stimmt, daß ich sehr viele Stile mache, sehr viele Stile quer durch den Garten, ich bin ja schließlich Musiker und nicht engstirnig! Also sollte man ja auch mehrere Stile machen können. Ich bin ja mit mehreren Stilen aufgewachsen und ich mache ja schon seit ich denken kann Musik."

In Schwarz gekleidet, schwarzen Lidschatten um die Augen, an den Fingernägeln schwarzer Lack, die Haare bis auf lange Harrkoteletten abrasiert, ist The Jeyenne auch optisch eine Ausnahme im bunt gemischten Techno-Brei. Sein Image, das zwischen Hard-Core-Rocker und melancholischem Beschwörer hin- und herpendelt, wählt er instinktiv gegen den Mainstream: "Ich habe immer versucht, nicht eine Sache zu machen, wo jeder mitmacht. Das ist ja langweilig. Es sollte sich alles weiterbewegen, so wie sich die Welt ja auch weiterdreht. Wenn alle immer dasselbe machen, geht nichts weiter. Ich versuche immer, ein bißchen voranzuschreiten...".
Keine Frage, daß The Jeyenne, Bands wie Daft Punk, Prodigy, Underworld und die Chemical Brothers die größte Unterstützung wünscht. Sie brachen wie er eine Bresche in den Einheits-Techno-Wald und ließen frischen Wind hinein. Trotzdem bleiben, so sagt er mit funkelnden Augen, Bands wie Depeche Mode und Front 242, seine größten Vorbilder. Restriktive Melancholie kann man dem Verfechter des 303-Punk jedoch nicht vorwerfen, ganz im Gegenteil: "Ich versuche immer etwas Neues, selbst wenn ich irgendeinen Hit haben sollte, dann versuche ich eine andere Richtung, wo ich meine: Hey, das ist für mich kreativ und das ist für die Leute auch interessant."

nikki



Aktuelle Single:
Darkness
eastwest records
incl. Remixes von Genlog, Front 242