Stereo Total
"Ich scheiß' auf Reime!"
NEU! Mit Sounds!
"Bon!". Das ist alles, was sie sagt. Dabei tippt sie ihre häßliche Schmetterlingsbrille mit einem Finger nach oben, während der lange Mann mit dem komischen Namen Brezel Göring auf seinen Plastikplattenspieler in quietschrot und weiß herunterlächelt.
Ihre goldblond getönten Haare flattern mit ihrem Lächeln um die Wette. Ihre rauchige Stimme mit dem französischen Akzent hat mich schon gefesselt, als sie nur sagt: "Isch 'ole mir nur schnell noch eine Kaffee!"
Mit dem gleichen beiläufigen Sex-Appeal und einer gewissen Eleganz, die nur manche Second -Hand -Artikel innehaben können, haben Stereo Total ihre neue LP "Juke Box Alarm" zusammengezaubert. Zuckersüße Vocals von Francoise und Angie Reed fliegen über surrende Yamaha-Quietscher und Felder aus Samples, die ungeniert und mit viel Spaß am Musizieren die 60er durch die 80er jagen und umgekehrt.
Was gerade noch nach Pierre Henry klang, hopst plötzlich minimal-elektronisch daher, um sogleich die frühen Achtziger, und da besonders D.A.F. und Pyrolator, zu rekapitulieren.Brezel kramt eine LP von Pyrolator aus seiner Umhängetasche voller Vinyl und legt sie auf den Plastikplattenspieler. "Manchmal wollen wir von Musik erzählen und um das dann zu veranschaulichen...", erklärt er meine Frage, warum, um Himmels willen, er denn einen Plattenspieler mit sich rumtrage.
"Man kann ja nie wissen! Also ich habe die ganze Autofahrt lang Platten angehört", freut er sich.
Knisternd legt der Sound seiner Lieblingsband los.
Francoise lacht.
Ich höre.Ihr Album haben sie in drei Studios eingespielt. In Düsseldorf, im Atatak Studio hat Kurt Dahlke, ehemals Pyrolator/Der Plan das Album schlußendlich aufgenommen und gemischt. Und seinen Einfluß, so Brezel, höre man auch raus.
Die Idee des laufenden Studiowechsel war, einen unverwechselbaren Sound aus vielen Einflüssen zu mixen, der sich trotzdem nicht in Retrospektive erschöpft, sondern sich im Hier und Jetzt befindet. Der Garagensound des einen Studio mischt sich mit den elektronischen Spielereien von Brezels zum Teil selbstgebastelten elektronischen Instrumenten. Und besonders interessieren ihn daran die Fehlleistungen:
"Das war auch die Idee dieser Platte, nichts sollte exakt klingen. Was ich total Klasse finde, ist, daß man Sampler wie so Bandmaschinen benutzen kann. Vor allem, daß es dabei auch so Fehlleistungen gibt; die haben auch so eine bestimmte Art von..."
Francoise: "Eigenleben!"
Brezel: "Genau, Eigengeräuschen."
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In ihrem dritten Album kollagieren Stereo Total kistenweise alte Flohmarktplatten, nehmen Anleihen, verwerfen wieder, klauen Samples und verbinden sie mit der eigenen Spiel- und Experimentierfreude und dem Charme von Angie Reeds Kindergesang und Francoises rauchiger Stimme.
So klingt "Juke Box Alarm" in einem Moment wie Serge Gainsborg, dann wie ein Chanson, dann wieder wie durchgedrehte Minimal-Elektronik und wie einer dieser Popsongs aus den Achtzigern, die man nie vergißt, aber sich niemals trauen würde, zu singen. |
Wehmütige Stücke ("Touche Moi") wechseln sich ab mit elektronisch verzerrten Rafinessen ("Vertigo") und mit hämmernd klirrenden Beats ("Holiday-Innn").
Erstmals taucht auch eine alte Umhänge-Yamaha an zwei Gitarrenverzerrer angeschlossen auf. An diesem Ding hängt San Reimo, der neue Mann im Team.
Brezel: "Er schwört auf das Ding. Und komischerweise, vielleicht gerade weil es so beschränkt ist, man kann enorm viel damit machen. Die Yamaha ist über einen Faser und ein Echogerät angeschlossen. Sam kriegt verrückte Töne hin: so ganz tiefe, wabernde Sachen, und er hat auch noch diesen kleinen Verstärker....Also, irgendwie ist das schon ganz einzigartig."Ist Elektronik Magie für Euch? Oder einfach nur Arbeitsgerät?
Francoise: "Für mich das klingt wie so "Klack". Vielleicht weil isch früher noch mit ganz normalen Bands gespielt habe. Für mich das klingt immer wie so eine Reise durch den Raum. Für mich ist das etwas, das die Fantasie anregt. Von der Bedienung habe isch keine Ahnung, das ist vielleicht wie ein anderes Instrument."
Brezel: "Aber man nicht sagen, daß es eine Art von Magie hat."Die Texte von Francoise waren schon beim letzten Album "Monokini" der Hinhörer. Alles, was um sie herum geschieht, scheint sie aufzusaugen wie ein Pinsel und dann munter aufs Papier zu klecksen.
Ein Liebeslied aus Satzzeichen kommt dabei ebenso heraus wie auf französisch gesungene Schlager wie "Supercool", in dem man über die Straßen schlendert und rekapituliert, daß man zwar nichts getan hat, aber dabei supercool aussah.
Aber wie kommt man darauf, ein Liebeslied aus Satzzeichen zu schreiben?Francoise: "Ach so, das war ganz einfach: Ich war dabei Lieder zu schreiben, isch schreibe ganz viele auf einmal. Und dann hatte ich schon ganz viele geschrieben, die waren auch nicht besonders, aber bon, egal!
Aber dann dachte ich, Scheiße, was mache ich jetzt, und dann habe ich immer auf die Schreibmaschine geglotzt, und dann habe ich gedacht, naja, isch mache einfach ein Dings über Satzzeischen. Ein Liebeslied mit Satzzeischen.
Und da isch ja nicht deutsch bin, kann ich auf die Reime scheißen, und "Kummer" reimt sich mit "Komma", und alles so Dinge. Und dann habe ich das so gemacht.
Wenn ich schreibe, dann laufe ich den ganzen Tag herum und denke mir: eine Lampe, ein Stuhl, eine Tasse....irgendwas, was könnte ich nehmen? Farben, Krankheiten, Tiere?"
Isch wurde als Tier geborren...
sieh die Sonne wunderbar,
eine Melodie galoppiert durch den Kopf...
Isch explodiere...
Whap Doo Whap ssupercoooool
Whap Doo Whap Doo Whap Supercooooool.
Genau. Francoise bringt es auf den Punkt. Und sie lacht und schiebt ihre Brille hoch. "Willst Du eine rauchen?" fragt sie. Gern. Nur mit ihr.
nikki
Juke Box Alarm - Samples (real audio)
Touche-MoiDie aktuelle
Plattenrezension
ab Ende März hier!Supercool Vertigo Party Anticonformiste
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