"Schatz, wo ist mein Cyber-Slip?"
Von der neuen Mode, die keine ist

Aldi im Jahre 2011 und ich stehe an der Kasse. Auf der Jacke des Typen vor mir spielt ein Privatsender eine Seifenoper, das aufblasbare Kleid der Frau hinter mir drückt mir in den Rücken. Ich ramme meinen Einkaufwagen in einen jungen Mann, dessen Anzug perfekt mit dem Windelstapel im Regal hinter ihm verschmolzen ist und er sieht mich aus regenbogenfarbenen Augen strafend an. Hinter dem Käseregal kommt eine Frau in einem roten Kleid hervor, das mindestens 100 Watt Leuchtkraft hat und mein eigenes T-Shirt zeigt holographische Monde und Planeten. Immerhin besser als letztes Mal, als mir von vier verschiedenen Anzügen ebensoviele Fernsehprogramme und Videospiele entgegenprasselten, denn das ist jetzt Mode. Cyber-Mode. Oder nicht?

Was silberglitzernd und lackledrig ist, aus 100% Plastik besteht, wie es sonst nur die Autoindustrie verwendet, was zwischen unerhört und unbequem liegt und unsere Mütter entsetzt aufschreien läßt, das muß Cyber-Mode sein. Selbst die Zeitungen für blutjunge Mädchen pfeifen es von den Dächern: raus aus dem Weltraum, Space ist out, Cyber ist in. Ohne den Silberdress und die Plastikschuhe bekommt man keine Jungs und nur Cybergirls sind cool, schrill und sonderbar genug für unsere Ach-so-normale Welt. Nachdem wir multimedial waren (waren wir's wirklich?) und spacig-interaktiv, müssen wir jetzt wohl "cyberig" werden, denn "Elle", "Cosmopolitan" und der Neuling "Amica" können sich da doch nicht irren. So gilt es denn, das neue Modewort mit "neuer" Mode zu feiern.
Aber was zum Donner ist denn Cyber-Mode?
Die Bücher, die unter Cyberpunk und Cyberia vermarktet werden, geben uns zumindest keine Antwort auf diese Frage, denn (oh Wunder) auch in 30 Jahren werden nicht alle Leute dem Metalliclook und Lackrausch verfallen sein. Nein, schnöde T-Shirts, Lederhosen, Jacken und Turnschuhe erfüllen die Straßen der Zukunftswelten, zumindest in den Büchern William Gibsons, der den ersten Cyberpunk-Roman schrieb.
Die neue Cyber-Mode ist also nur ein Produkt der mal wieder gelangweilten Industrie, die selbst nicht weiß, was sie noch Neues auf den Markt schmeißen soll und deswegen zumindest einen neuen schwammigen, glitzerigen Modebegriff kreiert.

Britta van den Boom/cks