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Maschinen und Menschen (2) - der Cyberspace



Filme:




Maschinen und Menschen (2) -
Welten aus Geschwindigkeit - Cyberspace

Daher schreiben die Cyberpunks wie die Beinahe-Drogensüchtigen von Amphetaminen und Halluzinogenen, als wären sie zu gleich die Opfer eines lebenverneinenden Systems (...).
Sie können sich selbst nicht helfen, aber ihre Hip-Anmut bringt sie durch eine amoralische Welt, und sie sehen sich einer Zukunft gegenüber, die praktisch jeden menschlichen Einfluß überschritten hat und wo die einzige Art zu leben die Geschwindigkeit ist, die Geschwindigkeit, um nicht im Netz gefangen zu werden."

Istvan Csicsery-Ronay: Cyberpunk und Neuromantik in: Atomic Avenue, Heyne Verlag 1990




Die Geschwindigkeit, in der sich die Protagonisten der Cyberpunk-Romane bewegen, zieht sich über die ganze Welt. Nicht nur durch die "dritte industrielle Revolution" (Norbert Stresau), die Revolution der Technik durch den Computer, ist das Leben selbst schneller geworden, nein, auch der Zwang, im Informations- und Bilderfluß mitzuschwimmen, hat sich vergrößert. Zudem ist das psychologische Bedürfnis der Menschen, ihre selbstgeschaffenen Maschinen mit der "Religion der Sachlichkeit", der Wissenschaft, zu entmystifizieren größer geworden.

Waren in den ersten Filmen über Computer noch die Maschinen selbst, ihre körperliche Konstruktion und ihr Handeln Thema der angstvoll besetzten Filmphantasien, öffnen sich nun 3-D-Welten, die quasi die Seele der Maschinen offenlegen: den Raum im Rechner, sein "Gehirn". Daß auch diese Seele böse Abgründe hat, scheint zwangsläufig zu sein: denn nur unsere Religion, die Wissenschaft, betont die "guten", die neutralen Seiten der Computer. In unseren Märchen, den Geschichten und Filmen über diese Maschinen aber, regiert weiterhin unsere Ur-Angst von den Sachen, die wir selbst geschaffen haben.

Die Matrix, das Computernetz, das die Welt umspannt, ist bereits keine Vision der Science-Fiction mehr. Zumindest in allen größeren Städten rund um die Welt sind die Menschen vernetzt. Virtuelle Realität, kurz VR, kann man sich in jedem Fachhandel kaufen, Cyber- und InternetcafÚs bieten Datenreisen an, alles wird noch schneller und noch bunter, wer nicht e-mailt ist out. Ein Klick, und Du hast die Welt in der Hand.
Oder die Welt Dich...
In den Filmen, die wir hier vorstellen, ist der Cyberspace und die VR der Raum, in den sich Menschen wagen und sich verlieren. Bietet TRON, der erste Film der Geschichte, der den Cyberspace darstellt, noch ein HappyEnd, konfrontieren uns "Der Rasenmähermann" und "Johnny Mnemonic" mit der Auflösung des Menschen im Cyberspace: die Protagonisten sterben physisch und nehmen ein Leben als Bits und Bytes an oder sie sind durch die implantierte Netz-Technik im Hirn unmittelbar vom Tod bedroht. Bezeichnenderweise ringt Johnny Mnemonic mit dem Tod, da sein Kopf durch die Überfülle an Daten zu platzen droht. Hier treffen zwei Momente zusammen: die negative Konsequenz des Informations- und Bilderflusses und die verloren gegangene Integrität des Menschen, der seine Gedanken und Gefühle, sein Gehirn, der Maschine opfert.

Norbert Stresau schreibt über die virtuelle Realität, sie sei "die radikalste Ausformung digitaler Träume: künstliche Wirklichkeiten als computerkontrollierte Maschinen-Welten, die auf unsere Bedürfnisse intelligent reagieren." Und William Gibson (der "Vater" des Cyberpunk) weist negative Utopien von sich, indem er die Menschen in seinen Romanen nicht als Opfer der Technik sieht, sondern als ihre Einwohner, "so wie wir alle".
Sicher, Techniken wie die VR sind für sich selbst genommen neutral und nicht "böse"; aber wie der Mensch auf diese Welten reagiert ist entscheidend, und es ist durchaus möglich, daß sich die Wahrnehmung der Wirklichkeit noch weiter verschieben wird, wenn sich VR erst weltweit durchgesetzt hat. Es würden neben unserer Welt noch tausende andere, mögliche Welten existieren, die so gut und so böse sind, wie ihre Programmierer es bestimmen. Unsere Sucht nach virtuellen Welten würde uns zu Opfern der Technik werden lassen, und bereits heute existieren in Megametropolen wie New York oder Tokio Suchthilfegruppen für Internet- oder Videospielgeschädigte. Und Timothy Leary, Ex LSD-Papst und ehemaliger Professor für Psychologie an der Harvard University, sieht die virtuelle Wirklichkeit bereits als neue Droge der Zukunft: Information als Sucht.
Und es ist nicht auszuschließen, daß Phantasien wie im "Rasenmähermann" oder in "Johnny Mnemonic" Wirklichkeit werden: einige Superkonzerne kontrollieren die Welt und setzen ihre machtgeilen Interessen mit Hilfe der Technik durch.

Wie wird die virtuelle Realität dargestellt? Wie oben schon angedeutet, ist die Darstellung des Cyberspace durch VR die letzte Konsequenz der Versachlichung des Menschen. Der Mensch wandelt sich in den Filmen von einer Kopie der Maschine (im Zeittakt aufstehen, arbeiten, schlafengehen; Maschinengeräusche bestimmen unsere Wirklichkeit) zum psychischen und physischen Fließen in einer Maschine: zum einen bewegt er sich IM Cyberspace, zum anderen implantiert er sich Computertechnik ins Hirn, um durch dieses Interface den ultimativen (Drogen)Rausch zu erleben.
Virtuelle Welten werden durch einen Bilderrausch dargestellt, der die Sinne zum Platzen bringt ("Rasenmähermann"). Gegenstände fließen und fliegen, Farben verschwimmen, der Mensch selbst hat einen virtuellen Körper, den er sich aussuchen kann. Alles ist möglich, Naturgesetze sind in der VR außer Kraft gesetzt.

"Revolutionär ist nicht die Konstruktion künstlicher Welten (die wurden schon im Altertum bildlich ersonnen, Anm. d. Autorin), sondern die Möglichkeit, in sie einzutauchen", schreibt Florian Rötzer, der sich in den letzten Jahren mit einer Fülle von Veröffentlichungen zum Thema Cyberspace hervorgetan hat.
Halten wir es ebenso: tauchen wir ein in die Welt aus Bits und Bytes...







TRON
(Tron) USA 1982
Regie: Steven Lisberger
Special Effects: Harrison Ellenshaw
Darsteller: Jeff Bridges (Flynn), David Warner (Dillinger/Sark), Barnhard Hughes (Gibbs/Dumont), Cindy Morgan (Lora/Yori), Bruce Boxleitner (Alan Bradley/Tron), Peter Jurasic (Chrom), Daniel Shor (Ram) u.a.

Tron leitet mit den Worten "This is story about two worlds.." ein. Mit den zwei Welten ist unser normales Leben (The world of the users) und die der Softwareporgramme (The world of the Programms) gemeint. Dieses Vorwort steckt also vorab die Intention des von Walt Disney produzierten Filmes ab, wobei es um Raub geistigen Eigentums geht. Der Medienkonzern ENCOM mit Mr. Dillinger an seiner Führungsspitze, bedient sich skrupellos der Ideen seiner Mitarbeiter, um sie dann später zu feuern.
Der ehemalige Angestellte Flynn, welcher bereits einige Computerspielkonzepte an ENCOM verloren hat, macht sich daran, den Code des Konzerncomputers zu knacken, damit seine Ideen nicht auf immer verlohren sind. Das MasterControlProgram (MCP) des Computersystems sichert sich aber gegen derartige Eingriffe von Außen ab und verweigert schließlich eigenen Mitarbeitern den Zugriff (Access denied). Mit der Hilfe von Freunden gelingt es Flynn schließlich bei einer Nacht und Nebel Aktion Zugriff auf das System zu bekommen, wobei er den Umweg in ein konzerneigenes Laserforschungslabor geht. Da er hier nun ungestört Zugriff haben kann, sucht sich das MCP andere Wege, um Flynns Vorhaben zu stoppen. Eine Laserbank zerlegt ihn in seine Atome und Flynn ist nun Teil des ganzen Computersystems. Er durchbricht somit die Barriere vom User zu den Softwareprogrammen und schwirrt als bunt kostümiertes Atom im Riesencomputer MCP umher.
Was, um Himmels willen, macht ein Mensch namens Flynn IN einem Rechner? Warum trägt er alberne Kostüme? Gegen wen spielt er? Ja, liebe Leute, daß ist die Krux an der Geschichte: sie hinkt!

Die Animationen jedenfalls sind für die damalige Zeit technisch einzigartig gewesen. Die Welt im Computer wurde von Disney zu einem Feuerwerk von Lichteffekten und Farben gestaltet. Tron ist der erste Film, der den Cyberspace darstellt. Das gesamte Szenarium im System sieht aus wie ein Computerspiel aus den 80 ern, wobei sich Flynn und seine Freunde per Motobikes oder auf Datenströmen bewegen. An "Tron" arbeiteten mehr Elektronik-Experten, Video-Designer und Computerkünstler mit als Schauspieler, über die Hälfte des Films wurde mit Hilfe von Computern erzeugt. Eigentlich geht es bei der Story nur um das Spiel zwischen Gut und Bose, bei der sich Flynn als blonder Retter erweist. Gut und Böse werden durch Programme dargestellt, wobei auf die wachsende Gefahr gewiesen wird, wenn Computerprogramme selbstständig werden und Entscheidungen fällen. Die Auflösung des Menschen in seine Atome hat in "Tron" noch nichts Beängstigendes. Flynn gewinnt Einblick in die Programme RAM und Crom und kommuniziert mit ihnen. Später kann er mit Hilfe des Überwachungsprogramms Tron in Lücken des Computersystems fliehen. und das MCP besiegen.

Wie gesagt, die Story lohnt einer Interpretation nicht, aber die rasanten Schnitte und Verfolgungsjagden malen ganz gut die Geschwindigkeit aus, die man sich im Inneren eines Computers vorstellt. Bits und Bytes jagen sich in spacigen Fahrzeugen einmal rund um den Chip, schwupp.....huiiii...es lohnt sich, dem Videorecorder ein Standbild abzuringen Leute!
Tron beschritt 1984 mit der Darstellung dieser zwei Welten absolutes Neuland und wurde deshalb von vielen mißverstanden. Heute gilt der Film als ein Cyberspace-Klassiker.
Die rasante Geschwindigkeit des neuen Mediums Computer beschränkt sich in den nachfolgenden zwei Filmen nicht auf einen einzelnen Menschen, sondern greift auch auf die Gesellschaft über...

=Cid=/pro stück






Der Rasenmähermann
USA 1992
Regie: Brett Leonard
Effekte: XAOS, Agel Company
Darsteller: Jeff Fahey (Jobe Smith), Pierce Brosnan (Dr. Lawrence Angelo), Jenny Wright, Geoffrey Lewis u.a.

Jobe Smith, ein tumber Kirchendiener ist der Larry für andere Leute: er ist geistig gerademal so weit, daß er einen Rasen anständig mähen kann, hat Frauen bisher nur von weitem gesehen und als einzigen Freund nur den zehnjährigen Peter Parkette. Kurzum: er ist ein wirkliches Herzchen. Bis...ja bis er den Rasen von Dr. Lawrence Angelo mäht. Der experimentiert in seinem Labor für die Firma Cybertech (nomen est omen) mit Drogen, um die Intelligenz bei Schimpansen zu steigern. Dr. Angelo ist natürlich nur ein Spielball in den Händen der mächtigen Firma. Als Cybertech ihn drängt, mit virtuelen Kriegspielen, die Aggressivität der Affen zu steigern, kündigt Angelo und wendet sich Naheliegendem zu: Jobe, der nichtsahnend vor seinem Haus den Rasen mäht.
Angelo kann's nicht lassen und so experimentiert er heimlich mit Jobe weiter: durch kleine Drogendosen und einen Datasuit plus Helm taucht Jobe in die Wonnen der virtuellen Realität ein: er lernt rasant und entwickelt sich zu einem charmanten Intelligenzbolzen. Die Firma Cybertech, die davon natürlich Wind bekommen hat, jubelt Dr. Angelo falsche VR-Programme und Drogen unter, die aus Herzi-Jobe ein wahres Monster machen: die aggressiven VR-Kriegsspiele, der er nun ohne das Wissen von Angelo konsumiert, machen Jobe aggressiv und machtgeil und die falschen Drogen rufen Fähigkeiten wie Telekinese und Telepathie hervor.
Keine Frage: das Experiment läuft aus dem Ruder, als Jobe Dr. Angelo unter Druck setzt, ihm noch mehr von den falschen Drogen zu besorgen und er sich in einer nächtlichen Session in seinem Datasuit in der VR verliert: sein Körper löst sich auf und Jobe existiert nur noch als virtuelles Monster, das die ganze Welt beherrschen will und nach einem Login für das Datennetz sucht.
Ein eher hilflos anmutendes Duell im virtuellen Raum zwischen Dr. Angelo und dem kleinen Peter auf der einen und "Bit"-Jobe auf der einen Seite endet für das Monster: er läßt auf der ganzen Welt alle Telefone gleichzeitig klingeln und beweist damit seine Übermacht.

Stephen King schuf eine Vorlage für diesen Film, nämlich die 1975 veröffentlichte Geschichte um den Rasenmähermann, der nicht nur Rasen, sondern auch Menschen unter seine Scheren nimmt...Vermischt wurde diese Geschichte mit einem Drehbuch des Regisseurs Leonard und seiner Lebensgefährtin Gimel Everett mit dem Titel "Cybergod". Über die schauspielerische Leistung in diesem Film kann man sich streiten, die Animationen jedoch, für die die beiden Software-Hersteller XAOS und ANGEL zuständig waren, ließen keine Wünsche mehr offen. Kein Wunder, daß Jobe verrückt wird, bei den psychedelischen Flügen durch virtuelle Spielwelten saß auch ich mit sabbernden Maul vorm Bildschirm und wünschte mir MEHR...
Die Sucht nach mehr Information und Geschwindigkeit wurde im "Rasenmähermann" zum einen durch die rasanten Animationen und zum anderen durch den Handlungsverlauf verdeutlicht: Jobe wird als Folge des verstärkten (Bilder)Flusses körperlos, verliert seine eigentliche Identität (den "guten" Charakter) und wird "böse". Die ihm gebotenen Sensationen machen ihn aggressiv, wobei der Film mehrmals betont, daß es gerade virtuelle Kriegsspiele sind, die die Aggressivität fördern.
Die ursprüngliche Flucht in die "bessere" Welt der virtuellen Realität wandelt sich vom Traum zum Alptraum, der Mensch wird in den Cyberspace gesogen und verflüchtigt sich. Im Wahrsten Sinne des Wortes...

pro stück






VERNETZT - Johnny Mnemonic
USA/Kanada 1995
Regie: Robert Longo
Literaturvorlage und Drehbuch: William Gibson
Effekte: George Lucas "Industrial Light and Magic"
Darsteller: Keanu Reeves (Johnny Mnemonic), Dina Meyer (Jane), Ice-T (J-Bone), Takeshi Kitano (Takahashi), Dolph Lundgren (Street Precher), Henry Rollins (Spider)

Im Jahre 2021 wird die Welt von wenigen Großkonzernen kontrolliert, die den Datentransfer und die Medien dominieren. Einige wenige "Lo-Teks" versuchen jedoch die Menschheit (auch gegen ihren Willen) vor der Unmündigkeit zu retten. Dazwischen steht Johnny Mnemonic, ein Datenkurier, denn irgendein Speicherchip in seinem Hirn hat alle "überflüssigen" Erinerungen gelöscht. Pech auch.
Aber ein letzter Auftrag soll ihm unter anderem ermöglichen, diese zurückzubekommen. Also unterzieht er sich "ein letztes Mal" der peinigenden Prozedur, seinen Kopf mit Daten zu laden, die diesen allerdings in 24 Stunden zum Platzen bringen. Eingerahmt wird die Handlung durch geradezu erschlagende Action und Specialeffects, viel High-Tech und Cyberspacesimulationen.

Der Mensch emanzipiert sich in diesem Zeitalter nicht mehr vom Computer, auch wenn er über und durch ihn kontrolliert und unterdrückt wird. Er ist stattdessen mit ihm vernetzt und wird zu seiner wandelnden Festplatte, die nur scheinbar selbstbestimmt agieren kann. Johnny Mnemonic jagt Erinnerungen hinterher, die ein beknackter Chip einfach so in seinem Gehirn gelöscht hat. Natürlich, neue Daten direkt in den Kopf spielen ist praktisch, aber wieso dringt so ein technischer Furz in die geheimsten Gehirnwindungen vor? Ist das Gehirn bedienbar wie ein Chip und vor allem genauso zu handhaben? Sind unsere intimsten Gedanken und Gefühle nichts weiter als binäre Dateien?
"Vernetzt" heißt hier nicht die Verbindung zweier gleichrangiger Pole, sondern die Vereinnahmung des menschlichen Gehirns durch den Computer. Und die geht in ihrer Konsequenz so weit, daß sie die menschliche Existenz bei zu großer Datenkapazität bedroht. Kopf platzt, aus, vorbei, machen wir halt ´nen Neuen.

cks